NACHLESE

LH a.D. DR. JOSEF RATZENBÖCK

(Landeshauptmann a.D. und ehemaliger Kulturreferent)

 

 
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- Spricht ganz gut unser Bub! -

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler. Anno domini – im Jahre des Herrn – 1973 hat mich der damalige Landeshauptmann Dr. Erwin Wenzl in die Landesregierung berufen. Dort bin ich geblieben, 22 Jahre, bis 1995 und anvertraut hat man mir damals – ich bin dabei geblieben – die Kultur und die Finanzen. Eine ideale Partnerschaft, nicht für die Finanzen, aber für die Kultur.

Wenn mich jemand vor meiner Berufung in die Regierung und vor der Bestellung zum Minister für Kultur gefragt hätte, Was verstehst du denn unter Kultur?, dann hätte ich ohne zu zögern eine Antwort gegeben. Nachdem ich Kulturreferent geworden bin, habe ich zu denken angefangen und überlegt. Was ist denn die Kultur eigentlich?

Ich bin unsicher geworden und habe es fast ein wenig gefürchtet, wenn ich dann zu kulturellen Veranstaltungen komme, dass mich einer fragt, was denn für mich Kultur sei.

Ich weiß nicht, ob ich ihm eine befriedigende Antwort hätte geben können. Ich hätte herumgestottert. Deshalb habe ich mir vorbeugend schon ein wenig zurecht gelegt, was kannst du sagen, wenn dich einer fragt. Merkwürdigerweise – nie hat mich jemand gefragt…

Da bin ich so ungefähr draufgekommen – das, was zur Aufrechterhaltung der Existenz, der Lebensfunktionen, getan wird, das gehört nicht zur Kultur. Was du isst, hat mit der Kultur nichts zu tun. Aber wie du isst, kann mit der Kultur zu tun haben – ist nicht bei allen gleich…

Alles was darüber hinausgeht ist Kultur und diese Definition von der Erhaltung der Lebensfunktionen und dem, was darüber hinausgeht, die Zuweisung zu Kultur, hab ich also freiwillig verwendet. Da habe ich darüber geredet und nicht gewartet, dass mich einer fragt. So habe ich damals die Kulturwochen in Haslach eröffnet.

Und sie wissen, wie das ist. Da ist eine Feier, ein Fest, anschließend setzt man sich zu Tisch, und man isst miteinander, redet miteinander und trinkt miteinander. Das wird in Haslach im Rathauskeller getan, einem Gasthaussaal. Da geht man einige Stufen hinunter und dort setzt man sich zusammen. Wie ich dann gegangen bin, durch den Wirtshausraum, habe ich gehört, wie ein Gast zur Kellnerin sagt: ‚Geh, bring ma nu a Halbe!’. Und die Resi hat gesagt – gegen ihr Geschäft: ‚Hast ja eh schon fünf!’ Und er hat erwidert: ‚Ja weißt! Die fünf hab i braucht zur Aufrechterhaltung meiner Lebensfunktionen und heut tua i nu was für die Kultur!’

Ich habe mich gefreut, weil ich daraus gesehen habe, der hat aufgepasst und hat das, was er gehört hat, sofort für sich verwendet. Diese Kulturwochen sind wie ein Strom durch das ganze Land geflossen. Da sollte man nun darlegen, was es in der Gemeinde an Kultur gibt und ich sage ihnen, alle waren überrascht, sogar die Gemeindemitglieder selbst, wie viele Künstler in jeder Gemeinde tätig sind, wie viele malen, schnitzen, alles mögliche produzieren. Und z.B. bei mir in Neukirchen am Walde hat man den Friedrich Gulda zu einem Konzert eingeladen. Der war in der Nachbargemeinde auf Urlaub und da haben sich die Neukirchner gedacht, wir holen uns den Gulda und bieten den Neukirchnern etwas ganz Besonders.

Ich habe das gehört und mir gedacht, da brennen wir ab. Im großen Berghamer-Saal werden ein paar Leute sitzen und nachdem der Friedrich Gulda damals schon ein sehr progressiver Pianist gewesen ist, hab ich überlegt, ob nicht die, die dort sind, auch nicht zufrieden sein werden. Friedrich Gulda ist gekommen, der Saal war gesteckt voll. Es haben nicht einmal mehr Leute hinein gekonnt. Ein, zwei oder drei Tage später bin ich nach Neukirchen gekommen und habe dort meinen Grundnachbarn Alois getroffen, Tapezierer, Bodenverleger, Mädchen für alles, der, zu dem jeder gegangen ist, wenn er unlösbare Probleme gehabt hat. Ich habe zu ihm gesagt: ‚Loisl, warst im Konzert?’ Alois hat geantwortet: ‚Ja!’

Ich habe ihn gefragt: ‚ Hat es dir gefallen?’ Er hat mir eine Antwort gegeben, aus drei Worten bestehend, die die beste denkbare Antwort überhaupt ist. Er hat gesagt: Gwehn miassat mas!’

Meine Damen und Herren, wissen sie was das heißt?

Gwehn miassat mas, das heißt eigentlich: Wenn ich mir vorstelle, dass ich das öfter hörte, könnte es sein, dass es mir sogar gefällt.

Mit drei Worten hat er seine Stellung zur Kultur gesagt und das ist eine gute Stellungnahme. Das heißt, wir sollen offen sein für die Kultur, für das Neue. Wir sollen nicht erwarten, dass wir das Gleiche immer wieder hören seit 1795 oder 1340. Kultur ist etwas Lebendiges, etwas das sich bewegt, das wächst, das abdorrt, um neu zu wachsen. Wir sollen neugierig sein – immer – solange wir leben, denn nur solange leben wir!

Kultur, das ist das, was uns von der Tierwelt unterscheidet – nur wir haben Kultur. Kultur verbreitert das Leben, verschönt es und vertieft es. Gwehn miassat mas, bei der Musik vor allem. Manchmal, wenn wir modernste Musik , neue Töne in der Musik hören, da fragen wir uns, können wir das noch unter Musik einordnen?

Meine Damen und Herren, vielleicht ist es eintausend Jahre her, da hat man nur einstimmig gesungen. Wie der zweistimmige Gesang aufgekommen ist, sind alle Leute, die das gehört haben, umgefallen – so neu war das. Das ist mir bisher in der modernen Musik noch nicht untergekommen.

Also Kultur ist das, was unser Leben ausmacht, uns unterscheidet von allen anderen Lebewesen auf dieser Welt. Und daher ist diese Kultur auch so wichtig für die Schule. Von der Schule heißt es, dass sie uns auf das Leben vorbereitet. Das Leben ist auch ein Kulturleben. En ganz wichtiger Teil unseres Lebens. Das ist mit eine Aufgabe der Schule. Darum begrüße ich es, wenn wir heute hier eingeladen werden zum Tatort Kunst. Mir hat es sehr gefallen. Ich wünsche ihnen einen schönen Abend.

LH a.D. Dr. Josef Ratzenböck, 28.02.2008

 

   
 

 

     
     

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